{"id":16793,"date":"2021-08-24T12:43:00","date_gmt":"2021-08-24T10:43:00","guid":{"rendered":"https:\/\/www.mbi-geodata.com\/de\/?p=16793"},"modified":"2023-08-24T10:16:05","modified_gmt":"2023-08-24T08:16:05","slug":"lieferkettengesetz-afrika","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.mbi-geodata.com\/de\/2021\/08\/24\/lieferkettengesetz-afrika\/","title":{"rendered":"Konflikte in Afrika und deren Relevanz im Zusammenhang mit dem Lieferkettengesetz"},"content":{"rendered":"
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\"\"<\/a><\/figure><\/div>\n\n\n

Das k\u00fcrzlich verabschiedete Gesetz \u00fcber die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (kurz: Lieferkettengesetz) gilt unter Politikern als Meilenstein der Menschenrechts- und Nachhaltigkeitspolitik. Ab 2023 sind Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, eine Grundsatzerkl\u00e4rung zur Achtung der Menschenrechte abzugeben, eine Risikoanalyse und Abwendungsmanagement f\u00fcr diese bereitzustellen sowie einen Beschwerdemechanismus f\u00fcr etwaige Menschenrechtsverletzungen einzurichten.[1]<\/a> Dies betrifft den eigenen Gesch\u00e4ftsbereich und unmittelbare Zulieferer. F\u00fcr mittelbare Zulieferer ist die Sorgfaltspflicht anlassbezogen und umfasst die Erstellung einer Risikoanalyse, die Umsetzung eines Vermeidungs- und Minimierungskonzeptes sowie die Verankerung von Pr\u00e4ventionsma\u00dfnahmen. Ab 2024 gilt dieses Lieferkettengesetz ebenfalls f\u00fcr Unternehmen, die mehr als 1.000 Mitarbeitende besch\u00e4ftigen.<\/p>\n\n\n\n

Diese neue Regulierung stellt Unternehmen vor neue Aufgaben in einem oftmals wenig bekannten Terrain. Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerst\u00f6rungen, die in der breiten europ\u00e4ischen \u00d6ffentlichkeit nicht pr\u00e4sent sind, sind ein globales Ph\u00e4nomen und Unternehmen k\u00f6nnen \u00fcberraschend mit diesen konfrontiert werden. Die m\u00f6glichen Konflikte sind vielseitig und k\u00f6nnen sich auf verschiedenste Weisen \u00e4u\u00dfern. Im folgenden Artikel werden Konfliktbeispiele aus drei afrikanischen L\u00e4ndern vorgestellt, bei denen Unternehmen beteiligt sind und die mit Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerst\u00f6rung im Zusammenhang stehen: Togo, Tansania und Mosambik. Diese Beispiele werden einen ersten Einblick in die Bandbreite der relevanten F\u00e4lle geben.<\/p>\n\n\n\n

Togo<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Die erste Untersuchung gilt dem westafrikanischen Staat Togo. Verschiedene deutsche und internationale Unternehmen erlangten Aufmerksamkeit f\u00fcr ihre Aktivit\u00e4ten in Togo, als es vor deren Hauptsitzen im Winter 2020 zu Demonstrationen der Diaspora Togolaise Allemagne, <\/em>der Interessenvertretung der in Deutschland lebenden Togolesen, kam. Diese wendeten sich einerseits gegen umweltsch\u00e4dliche Gesch\u00e4fts- und Produktionsprozesse der Unternehmen im Land, andererseits wurde die St\u00fctzung und Legitimierung der autorit\u00e4ren Regierung durch wirtschaftliche T\u00e4tigkeiten in Togo kritisiert.[2]<\/a><\/p>\n\n\n\n

Vor dem Hintergrund des neuen Lieferkettengesetzes sind deutsche Unternehmen angehalten, Menschenrechtsverletzungen und Umweltprobleme zu \u00fcberwachen und zu analysieren.  F\u00fcr den Aspekt des Umweltschutzes kann Togo beispielhaft f\u00fcr weitere Staaten herangezogen werden: Von Umweltsch\u00fctzern und Kritikern der togoischen Regierung wird bem\u00e4ngelt, dass die Phosphatf\u00f6rderung in Togo starke Umweltsch\u00e4den entlang der K\u00fcste verursacht. Diese umfassen unter anderem die Verschmutzung der K\u00fcste und ein daraus resultierendes Sterben der Fischpopulation. Zus\u00e4tzlich wurden bei Fabrikmitarbeitern Gesundheitsprobleme festgestellt, die vermutlich vom Phosphatabbau stammen.[3]<\/a> Diese Nachhaltigkeitsdefizite, die keineswegs nur auf den Phosphatabbau beschr\u00e4nkt sind, k\u00f6nnen Unternehmen im Rahmen des Lieferkettengesetzes vor neue Herausforderungen stellen.<\/p>\n\n\n\n

Neben den Umwelt- und Gesundheitsaspekten sind f\u00fcr das neue Lieferkettengesetz die Menschenrechtsverletzungen der Regierung Togos von Relevanz. Die Herrscherfamilie Gnassingb\u00e9 verfolgt einen autorit\u00e4ren Regierungsstil und ist durch die staatliche Soci\u00e9t\u00e9 Nouvelle des Phosphates du Togo<\/em> und deren Monopol unmittelbar in den Phosphatabbau involviert.[4]<\/a> Die Gnassingb\u00e9-Regierung machte zudem in den letzten Jahren durch die Unterdr\u00fcckung der Opposition und die gewaltsame Niederschlagung von Protesten auf sich aufmerksam.[5]<\/a> Eine weitere Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Togo ist durchaus denkbar. Dadurch entsteht f\u00fcr Unternehmen das Risiko, tats\u00e4chlich Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerst\u00f6rungen durch Kooperationen mit entsprechenden Unternehmen oder durch Abkommen mit der Regierung aktiv zu erm\u00f6glichen oder gar zu unterst\u00fctzen.<\/p>\n\n\n\n

Tansania<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Ein weiteres Beispiel f\u00fcr politische Konflikte mit Relevanz hinsichtlich des neuen Lieferkettengesetzes findet sich in Tansania. Der ostafrikanische Staat zeichnet sich zwar durch politische Stabilit\u00e4t und hohe Wachstumsraten im Vergleich zu anderen Staaten in der Region aus, nach au\u00dfen problematisch erscheint jedoch der Umgang mit der LGBTQ+ Community.<\/p>\n\n\n\n

Das Lieferkettengesetz sieht es vor, die Diskriminierung von Personen auf Grund verschiedenster Charakteristika zu unterbinden. Daher ist die Situation in Tansania durch die sowohl gesellschaftliche als auch politische Diskriminierung der LGBTQ+ Bewegung problematisch. In der Vergangenheit verursachte das drastische Vorgehen gegen die LGBTQ+ Community international negative Schlagzeilen, als 2018 ranghohe Politiker eine \u00f6ffentliche Verhaftungswelle gegen Homosexuelle initiierten.[6]<\/a> Der Aufruf an die \u00d6ffentlichkeit, Namen mutma\u00dflich Homosexueller bereitzustellen, sorgte unter westlichen Staaten f\u00fcr weitreichende Kritik und hatte unter anderem die Einstellung von Entwicklungsgeldzahlungen zur Folge.[7]<\/a> Neben der m\u00f6glichen Diskriminierung durch politische Akteure, wird jene auch in der tansanischen Gesellschaft weitergetragen.[8]<\/a><\/p>\n\n\n\n

Was zun\u00e4chst keine unmittelbaren Konsequenzen f\u00fcr internationale Unternehmen hatte, ist durch das Lieferkettengesetz neu zu bewerten. Solche oder \u00e4hnliche diskriminierende Ma\u00dfnahmen k\u00f6nnten eigene Mitarbeiter und Zulieferer treffen. Dieses Beispiel illustriert, wie das neue Lieferkettengesetz deutsche Unternehmen in augenscheinlich stabilen und unauff\u00e4lligen Staaten zu einer tieferen Analyse der politischen und sozialen Konflikte zwingt.<\/p>\n\n\n\n

Mosambik<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Das letzte Beispiel besch\u00e4ftigt sich mit der Region Cabo Delgado in Mosambik, die beispielhaft f\u00fcr die Eskalation sozialer Konflikte steht. Einstige Konflikte geringer Intensit\u00e4t resultierten vor Ort in einem gewaltsamen Aufstand islamistischer Milizen, der internationale Milit\u00e4runterst\u00fctzung notwendig machte.<\/p>\n\n\n\n

Die Grundlage des heutigen Konflikts ist in der Ablehnung des Staates Mosambik durch die Bev\u00f6lkerung zu finden, die auf der Vernachl\u00e4ssigung der Region durch staatliche Institutionen und Korruption beruht. Diese Bedingungen schufen erste g\u00fcnstige Voraussetzungen f\u00fcr politische Gewalt und religi\u00f6sen Extremismus in der Region, noch bevor diese f\u00fcr die wirtschaftliche Rohstofff\u00f6rderung interessant wurde. Wirtschaftliches Interesse erlangte die Region im Norden von Mosambik durch Rubinvorkommen und die Entdeckung gro\u00dfer Offshore-Erdgasmengen. Die Rohstoffvorkommen zogen w\u00e4hrend der letzten zehn Jahre ausl\u00e4ndische Investoren an. Seit 2017 sind diese jedoch mit einer zunehmend gravierenderen Sicherheitslage konfrontiert, die wirtschaftliche Aktivit\u00e4ten in der Region vorerst verhindert.[9]<\/a><\/p>\n\n\n\n

Durch die weit verbreitete Korruption wurden die Rubinvorkommen zwar wirtschaftlich genutzt, allerdings hat sich dabei kein nennenswerter wirtschaftlicher Fortschritt bzw. Beteiligung am Ressourcenreichtum f\u00fcr die Bev\u00f6lkerung Cabo Delgados ergeben. \u00c4hnlich verhielt es sich mit dem F\u00f6rderungsprojekt f\u00fcr Erdgas, welches noch in der Konstruktionsphase unterbrochen werden musste, da die islamistischen Angriffe nun auch bei den dort t\u00e4tigen Unternehmen Opfer forderten.[10]<\/a> Durch die Umsetzung der Projekte entstand au\u00dferdem Konfliktpotential mit den kulturellen Gegebenheiten der lokalen Bev\u00f6lkerung, da einerseits Gr\u00e4ber und andererseits Familien f\u00fcr den Rohstoffabbau umgesiedelt werden sollten.[11]<\/a> Die mangelnde Transparenz bei diesen Entscheidungsprozessen sowie das autorit\u00e4re Vorgehen der Polizei bei der Durchsetzung dieser sind wichtige Faktoren in diesem multidimensionalen Konflikt, der 2017 erstmals gewaltsam eskalierte.<\/p>\n\n\n\n

Die jahrelangen Attacken und Gebietsgewinne der Milizen haben die Region in eine tiefe Instabilit\u00e4t gest\u00fcrzt, die nun durch eine internationale Milit\u00e4rmission behoben werden soll. Die Vernachl\u00e4ssigung der Zivilbev\u00f6lkerung Cabo Delgados, die Korruption und weitere Faktoren verhindern in den n\u00e4chsten Jahren voraussichtlich eine vollst\u00e4ndig sichere wirtschaftliche Aktivit\u00e4t.<\/p>\n\n\n\n

Die Beispiele Mosambik, Tansania und Togo zeigen auf verschiedenste Weisen die Relevanz des neuen Lieferkettengesetzes und warum eine professionelle politische Risikoanalyse f\u00fcr Unternehmen immer wichtiger wird. Konflikte wie in Mosambik, die zun\u00e4chst von niedriger Intensit\u00e4t gepr\u00e4gt sind und anschlie\u00dfend gewaltsam eskalieren, sind wichtig f\u00fcr internationale Gesch\u00e4fts- und Produktionsprozesse, die hierdurch gest\u00f6rt werden k\u00f6nnten. Durch das neue Lieferkettengesetz sind dar\u00fcber hinaus auch Konflikte geringerer Intensit\u00e4t, wie beispielsweise in Togo, betroffen. Letztlich sind Umweltzerst\u00f6rungen und Diskriminierungen einzelner Bev\u00f6lkerungsgruppen, die Teil dieser Konflikte sind, ebenfalls nicht zu vernachl\u00e4ssigen.<\/p>\n\n\n\n

Mit MBI CONIAS Risk Intelligence sind sie umfassend auf die Herausforderungen des neuen Lieferkettengesetzes vorbereitet. Unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Beobachtung politischer Konflikte unterhalb der Kriegsschwelle machen die MBI CONIAS Daten einzigartig. Die hohe Anzahl dieser Konflikte und ihre komplexen Wirkungsweisen brauchen einen gro\u00dfen Wissensschatz, um ihre Auswirkungen fr\u00fchzeitig zu erkennen. St\u00e4ndige Weiterentwicklungen und Erg\u00e4nzungen vergr\u00f6\u00dfern den Nutzen f\u00fcr unsere Kunden kontinuierlich.  <\/p>\n\n\n\n

Ab Sp\u00e4therbst 2021 wird unsere MBI CONIAS Academy in Heidelberg<\/a> au\u00dferdem Schulungen anbieten, um Ihre Mitarbeiter entsprechend vorzubereiten. F\u00fcr weitere Informationen kontaktieren Sie bitte unser Sales-Team<\/a>.<\/p>\n\n\n\n

\u00dcber die Autoren:<\/strong>
Etienne Limberger & Dr. Nicolas Schwank
CONIAS Risk Intelligence
Michael Bauer International GmbH<\/p>\n\n\n\n

[1]<\/a> https:\/\/www.bmz.de\/de\/entwicklungspolitik\/lieferkettengesetz
[2]<\/a> https:\/\/www.stadtpolitik-heidelberg.de\/?q=node\/3388
[3]<\/a> https:\/\/taz.de\/Phosphatgewinnung-in-Togo\/!5582284\/
[4]<\/a> https:\/\/www.sueddeutsche.de\/politik\/afrika-das-grosse-schachern-1.3705970
[5]<\/a> https:\/\/www.bbc.com\/news\/world-africa-41332072
[6]<\/a> https:\/\/www.reuters.com\/article\/us-tanzania-lgbt-idUSKCN1N90FZ
[7]<\/a> https:\/\/www.bbc.com\/news\/world-europe-46219356
[8]<\/a> https:\/\/www.hrw.org\/report\/2020\/02\/03\/if-we-dont-get-services-we-will-die\/tanzanias-anti-lgbt-crackdown-and-right
[9]<\/a> https:\/\/www.tagesschau.de\/ausland\/afrika\/mosambik-cabo-delgado-105.html
[10]<\/a> https:\/\/www.aljazeera.com\/economy\/2021\/4\/26\/total-suspends-20bn-lng-project-in-mozambique-indefinitely
[11]<\/a> https:\/\/www.macaubusiness.com\/mozambique-government-failed-to-seek-local-consent-for-gas-projects-activist\/<\/p>\n

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